Guter Betaleser, böser Betaleser – Von Verantwortung und Eigenverantwortlichkeit

Heute möchte ich mich zur Abwechslung einem Thema widmen, das mich gerade sehr beschäftigt, und von dem ich finde, dass alle Leser und (Hobby-)Autoren sich einmal damit auseinandergesetzt haben sollten. Und zwar geht es um das leidige Thema des Betalesens.

Zunächst einmal vorab: Ich möchte mit diesem Artikel niemandem die Lust am Betalesen nehmen, noch irgendjemanden verletzen, auch wenn meine stellenweise etwas harsche Ausdrucksweise diesen Eindruck nahelegen mag. Und ganz sicher erhebt dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Meine eigentliche Absicht ist es, sowohl Leser als auch Autoren für die Problematik dieses Themas zu sensibilisieren und ein paar Tipps zu geben, von denen ich hoffe, dass sie hilfreich sind.

Vor einigen Tagen bin ich nicht zum ersten Mal auf eine Fanfiction gestoßen, die weder stilistisch gut geschrieben war, noch schien der Autor sich Gedanken über Canontreue, IC-ness oder Logik gemacht zu haben. Zwischen all dem verpackt in jede Menge Fluff und ein durch OOC-ness künstlich erzeugtes Drama gähnten mich tiefe Plotlöcher an. Dann fiel mein Blick auf den Kommentar über einem Kapitel, wo er seinem Betaleser dankte.

In solchen Momenten werde ich stutzig. Kein Betaleser kann Wunder bewirken. Er kann dem unerfahrenen Autor helfen, sich zu verbessern, aber dies braucht Zeit. Kein Autor, der gerade erst mit Schreiben angefangen hat, und keine Geschichte werden auf Anhieb perfekt, nur weil ein Betaleser zur Stelle ist. Zudem liegt es in der Verantwortung des Autors, die Vorschläge seines Betalesers entsprechend umsetzen. Aber es gibt noch den anderen Fall: Wenn der Betaleser schlichtweg nichts taugt.

Nach der oben erwähnten Lektüre genügte mir ein Blick auf das Profil und in die Geschichten des Betalesers, um mich davon zu überzeugen, dass Letzteres der Fall war.

Und das ist traurig. Sowohl für den Autor als auch für den Betaleser.

Wie es alle Sorten von Autoren gibt, gibt es auch alles Sorten von Betalesern. Anders als in dem oben beschriebenen Beispiel kann man als Leser in den meinen Fällen jedoch nur schwer bis gar nicht von der Qualität einer betagelesenen Geschichte auf die Qualität des Betalesers schließen, da die Kommunikation zwischen Autor und Betaleser für den Leser hinter den Kulissen stattfindet.

Leider kommt es auch vor, dass sich Leute begeistert als Betaleser anbieten, die entweder selbst blutige Anfänger und damit – so leid es mir tut, das sagen zu müssen – zu unerfahren sind, um ihre Arbeit adäquat zu machen, oder ihre Aufgabe nicht ernstnehmen und einfach nur über den Text drüberlesen. Mit beidem tut man sich als Betaleser keinen Gefallen, denn beides sind Gründe, weswegen oft auf sie geschimpft wird. Für die Betaleser, die sich wirklich Mühe geben, und die dabei in unbeabsichtigter Weise gleich mit über den Kamm geschoren werden, ist das eine ziemliche Ohrfeige.

Aber ich kann den Ärger mancher Leser auch sehr gut nachvollziehen. Es erweckt einfach keinen guten Eindruck, wenn man eine mittelmäßige Geschichte liest, in der es von RS- und Logikfehlern nur so wimmelt und die Charaktere Marys und Garys in ihrer reinkarnierten Reinform sind, und der Betaleser es genauso macht. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich bei der oben erwähnten Story regelrecht fremdgeschämt habe.

Der Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es gute Kritiker oder Betaleser gibt, die selbst nicht schreiben oder kein Talent darin haben. Diesen merkt man ihre Erfahrung jedoch in der Regel an. Ein guter Betaleser muss nicht zwingend selbst schreiben. Er sollte jedoch wissen, welche Fehler es zu vermeiden gilt und ein gewisses Maß an Erfahrung, im Lesen und Wissen über die Welt der Geschichte und die in ihr behandelten Themen aufweisen. Meine Vorstellung scheitert jedoch leider daran, mir dies bei jemandem vorzustellen, der selbst die übelsten Marys und Garys produziert.

Da ich selbst seit einer Weile betalese, möchte ich ein wenig aus meiner eigenen Erfahrung berichten.

Ich weiß, wie schwer und umfangreich diese Aufgabe ist, wenn man sie gewissenhaft ausführen will. Aus diesem Grund ist meine Liste von betagelesenen Geschichten auch nicht sehr lang. Unter meinen Betakindern befinden sich sowohl blutige Anfänger als auch solche mit Schreiberfahrung. Sie alle waren mir bis jetzt ausnahmslos für meine Dienste dankbar und ich konnte mit ansehen, wie ihre Werke davon profitierten. Wenn ich betalese, dann bin ich dabei sehr gründlich, denn mein Betakind soll schließlich etwas lernen oder bei einem Wettbewerb entsprechend gut abschneiden. Allerdings mache ich hier ganz klare Unterschiede in meiner Arbeitsweise:

Bei einem Anfänger sind häufiger stilistische und leider in einigen Fällen auch orthographische Dinge zu korrigieren, als bei einem Autor mit längerer Schreiberfahrung. Da ich der Meinung bin, dass angenehmes Lesen die Grundvoraussetzung ist, um bei einer Story dabeizubleiben, konzentriere ich mich zunächst darauf, bevor ich mich Dingen wie Logik und Canon widme. Was jedoch nicht heißt, dass ich dies vernachlässige. Gerade Anfänger weise ich auf solche Dinge jedoch nur behutsam hin, weil ich niemandem entmutigen möchte. Dennoch ist es mir wichtig, mein Betakind auch auf diese typischen Anfängerfehler aufmerksam zu machen, ohne ihm meinen Stil aufzudrängen oder es zu überfordern. Doch vor allem ist mir ein persönliches Anliegen, einem ambitionierten Anfänger zu helfen, eine schlüssige Story zu schreiben und sein Talent zu entwickeln.

Bei einem erfahrenen Autor tauchen diese Dinge in sehr viel kleinerem Rahmen auf. Der Stil ist oft bereits gut entwickelt und manchmal wünscht er auch nur eine zweite Meinung. Dennoch lese ich auch hier gründlich und achte auf jedes Detail. Das Schöne an fortgeschrittenen Lesern ist, wie ich finde, dass man ihnen helfen kann, ihre Story auf einer Detailebene reicher zu machen, mit der man einen Anfänger überfordern würde.

Mir machen beide Extreme Freude. Es ist ein schönes Gefühl, wenn die Autoren sich über meine Korrekturen freuen und etwas Brauchbares daraus für sich ziehen und ich mein eigenes Wissen weitergeben kann. Auf der Gegenseite erwarte ich jedoch, dass sie die Hilfe ein Stück weit auch annehmen und zumindest in den wichtigsten Punkten umsetzen. Letztendlich liegt es in der Verantwortung des Autors, die Hilfestellungen des Betalesers anzunehmen und umzusetzen. Doch meine Geduld würde bei jedem Autor, für den ich betalese, ein Ende finden, wenn dieser sich als konsequent beratungsresistent erweist oder seine Texte trotz jeder Unterstützung weiterhin von RS- und GR-Fehlern wimmeln. Es ist kein Problem für mich, einen Text durch mein Rechtschreibprogramm zu jagen, die Fehler markiert OpenOffice bei mir automatisch. Aber wenn die Texte dauerhaft vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern nur so strotzen, lege ich dem Autor ein gutes Rechtschreibprogramm und nahe und erinnere ihn daran, seine Texte gründlich zu lesen, bevor er oder sie mir diese schickt.

Mit diesem Artikel möchte ich niemandem ausreden, betazulesen. Auch für Schreibanfänger ist das eine gute Übung, doch bitte, bitte fangt klein damit an. Kurzgeschichten und Drabbles sind ein guter Einstieg. In jedem Fall solltet ihr eure eigenen Geschichten kritisch lesen. Habt ihr einen Betaleser? Dann lest eure Texte unter den Aspekten seiner oder ihrer Anmerkungen erneut. Oder fangt damit an, bei anderen Geschichten kritische Reviews zu schreiben. Damit seid ihr auf der sicheren Seite.

Eine gute Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Eigenverantwortlichkeit sind zwei wichtige Voraussetzungen, um eine Geschichte betazulesen. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen, weil euer Betakind sich auf euch verlässt.

Daher hier einige grundsätzliche Tipps:

  1. Überlegt euch gut, was und wie viel ihr euch zumuten könnt, bevor ihr eure Beta-Arbeit beginnt. Eine gute Beta-Arbeit erfordert Zeit und gute Kenntnisse des Fandoms oder bei freien Arbeiten der Hintergrundthematiken. Und mit ‚gut‘ meine ich nicht: „Ich habe einmal das Buch gelesen.“

  2. Findet heraus, was euer Betakind will. Wünscht es sich intensive Unterstützung oder nur eine zweite Meinung? Das ist wichtig zu wissen, um den Arbeits- und Zeitaufwand einzuschätzen, wenn ihr eure Sache gut machen wollt.

  3. Für Rechtschreib- und Grammatik solltet ihr immer die Duden-Korrektur zur Hilfe nehmen.* Diese findet ihr auf www.duden.de für Microsoft und OpenOffice zu kaufen oder kostenlos mit einer Begrenzung auf 500 Wörter. Manche Schreibprogramme wie Papyrus haben diese bereits integriert. Verlasst euch nicht auf die standardmäßig in Word oder OpenOffice implementierte, denn diese taugt nicht viel. Im Übrigen sollte jeder Autor ein solches Programm haben, weil diese Art von Korrekturen nicht zur Arbeit eines Betalesers gehört. Aber es schadet auch nicht, sie zu haben, weil sich immer Fehler einschleichen können. Es ist ok, wenn ihr ein oder zwei Mal eine komplette RS-/GR-Korrektur für euer Betakind macht, weil es noch kein solches Programm hat, aber es darf nicht zur Regel werden! Legt ihm nahe, sich selbst so ein Programm zu beschaffen und die Texte selbst noch einmal gründlich zu lesen, bevor ihr sie erhaltet.

  4. Bemesst die Intensität eurer Arbeit neben den Wünschen und Vorstellungen eures Betakindes an dessen Erfahrung, um es optimal zu unterstützen. Findet das richtige Maß an konstruktiver Hilfe, vermeidet Überforderung auf beiden Seiten und achtet dabei darauf, euch nicht selbst in dieser Arbeit zu verlieren. Wer dauerhaft zu viel Zeit investiert, hat irgendwann keine Lust mehr.

  5. Stimmt die Chemie zwischen euch und eurem Betakind? Das ist ein sehr wichtiger Punkt, da ihr seine Texte auseinandernehmen müsst. Kritik kann schnell falsch aufgefasst werden, ist sie unglücklich formuliert. Das kann immer passieren und ist ein Reibungspunkt, wo es schnell knallen kann, wenn euer Verhältnis bereits angespannt ist. Dennoch gilt: Euer Betakind ist nicht euer Freund, sondern euer Schützling – also wahrt eine angemessene Distanz und versucht Kritik konstruktiv und diplomatisch zu äußern.

  6. Lest niemals beta für Menschen, die euch nahestehen. Also nicht für Familienmitglieder, Freunde, den Partner, oder wen ihr sonst so mögt. Dies geht sowohl auf Kosten eurer Objektivität, als auf Eure Fähigkeit, Kritik zu äußern. Euer Betakind hat davon nicht abgesehen von Bauchpinselei nicht viel.

  7. Bei blutigen Anfängern ist es gut, sich in Nachsicht und Geduld zu üben und nicht zu erwarten, dass es mit eurer Hilfe sofort die perfekte Geschichte schreibt. Dennoch: Weist euer Betakind darauf hin, seine Texte einmal mit etwas zeitlichem und geistigem Abstand gründlich selbst zu lesen, bevor ihr sie korrigiert. Das erspart euch unnötige Arbeit. Und weist es darauf hin, keine unkorrigierten Texte zu veröffentlichen.

Ich habe übrigens selbst eine liebe Betaleserin gefunden. Da ich jedoch nichts herausgebe, was ich aus Gründen von Paranoia und Perfektionismus nicht selbst unzählige Male, oft mit Monaten Abstand korrigiert habe, basiert unser Verhältnis eher auf dem „Eine Hand wäscht die andere“-Prinzip: Sie bekommt die Kapitel vor allen anderen und gibt mir dafür eine Einschätzung des Geschriebenen und findet Fehler, die ich und meine Duden-Korrektur übersehen haben (diese schleichen sich vorzugsweise auch gerne beim Editieren ein).

* Auch bei der Duden-Korrektur rutschen einige Fehler durch den Suchalgorithmus. Deswegen ist es wichtig, die Texte anschließend noch einmal gründlich zu lesen. Falls jemand ein besseres Programm kennt, bitte schreien 🙂

(3) Kommentare

  1. Interessanter und ziemlich ausführlicher Beitrag. Ich denke, wenn irgend jemand Kontrolle liest ist das sicherlich besser, als wenn es niemand tut, aber es ist schon richtig dass es hier durchaus häufiger vorkommt, dass Leute die Dinge nicht schlechter, aber ehrlich gesagt auch nicht wirklich besser machen…

    Meine Beobachtung ist (und das ist ja auch erstmal nicht das schlechteste) dass sich oft Betaleser und Autoren zusammentun, die eben die gleiche Art von Geschichten lesen wollen. Das können leider auch schreckliche Self-Inserts mit OOC-Charaktären und Plotmangel sein…

    Ideal wäre jemand als Betaleser, wenn er nicht Teil des jeweilgen Fandoms ist, vieleicht sogar die Originalgeschichte gar nicht so besonders mag; das würde zumindest dazu führen dass die eigenen Geschichte ohne „squeeeee“-Faktor gereviewt wird. Naja. Man kann nicht immer alles haben…

    1. sagt:

      Hallo Spirit of dawn,

      Herzlichen Dank für deinen Kommentar! Auch ich habe dein Eindruck, dass sich oft Betaleser und Autoren mit gleichem oder ähnlichem Geschmack zusammentun. Es ist eben nur ein Freizeitjob, der nicht bezahlt wird und ich denke, die wenigsten lesen freiwillig eine Geschichte, die sie vom Thema her nicht interessiert.

      Ich denke auch, dass es einer objektiven Betaarbeit hilft, wenn man nicht ganz so tief in Fandom verwurzelt ist. Die Geschichten, die ich bisher betagelesen habe, sind ebenfalls aus anderen Fandoms. Bei mir ist es jedoch eher das Problem, dass ich bei meinem eigenen Fandom überkritisch bin, weil ich den Canon so gut kenne. In anderen Fandoms sollte man als Betaleser dennoch solide Kenntnis der Vorlage mitbringen, um z.B. zu beurteilen, wann die Charaktere ooc geraten.

      Herzliche Grüße,
      Lady Sonea

    2. Hallo,

      das mit dem Überkritisch sein sehe ich ähnlich. Insbesondere wenn man mal noch mit einbezieht, dass zumindest ich den Eindruck habe, dass man, gerade wenn man für das Fandom selbst auch schreibt, man zwangsläufig auch den einen oder anderen Headcanon entwickelt, der ja nicht im Gegensatz zum Canon stehen muss, sondern vielleicht eine Ergänzung ist.

      Das dann wieder abzustreifen und zurück zu gehen ist gar nicht so einfach.

      Aber ja, wenn ein Betaleser testen soll, wenn einem die Charaktäre entgleiten, muss er den Fandom natürlich kennen. Wenn es nur darum geht eine schlechte Geschichte zu erkennen, braucht es nicht unbedingt einen Experten des Fandoms.

      Lieben Gruß
      Spirit

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