Der Camp-NaNoWriMo Juli 2015 – Was mich nicht umbringt, macht mich härter

Im Juli habe ich wieder am NaNoWriMo teilgenommen. Dieses Mal endlich mit der Geschichte, die mir seit letztem Herbst im Kopf herumspukt und die ich eigentlich schon im April-Camp schreiben wollte, wobei mir Überarbeitung des „Heiligtum von Yukai“ dazwischen kam. Ende Juni war Yukai endlich so weit gediehen, dass jetzt nur noch einige wenige Kapitel zu Ende zu schreiben sind, in die ich leicht wieder einsteigen kann, weil die große Arbeit getan ist.

Lady Soneas NaNoWriMo-Projekt

In diesem Camp habe ich die Fortsetzung von „Unter tausend schwarzen Sonnen“ geschrieben, die nach Akkarins Rückkehr aus Sachaka spielt. Sie handelt von seinem Doppelleben zwischen langweiligen Gildenversammlungen, Parties im Palast, Heiratsanträgen und schmachtenden Liebesbriefen lüsterner Frauen aus dem kyralischen Adel – und seiner Jagd nach Sachakanern und dem Kampf gegen seine dunklen Seiten und seiner Vergangenheit. Und natürlich beschäftigt sie sich mit seiner Freundschaft zu Lorlen und Takan und den damit verbundenen Schwierigkeiten.

Anfangs lief die Geschichte unter dem flapsigen Arbeitstitel „Die Abenteuer des Hohen Lords“. Nach den ersten drei Tagen war ich von diesem Titel jedoch vollkommen entnervt, weil er der Story eine unerwünschte Slapstick-Komponente verlieh. Seitdem trägt sie den klangvollen Titel „Darker Than Black“*, was dem Akkarin in dieser Geschichte sehr viel gerechter wird.

Wie „Unter tausend schwarzen Sonnen“ hat „Darker Than Black“ diese Momente, die beim Schreiben unter die Haut gehen. Besonders die Szene, als Akkarin das Blutjuwel für Takan gemacht hat, hat mir eine emotional sehr aufwühlende Mittagspause eingehandelt. Über die Stelle, an der Akkarin herausfindet, dass sein bester Freund ihm nicht aus dem Weg geht, weil er überarbeitet ist, sondern weil er sein Geheimnis herausgefunden hat, bin ich sogar ein komplettes Wochenende versackt.

Ursprünglich sollte „Darker Than Black“ auch „The High Lord“ und einen Epilog, der während des „Spions“ spielt und den ich während des Camps geschrieben habe, beinhalten. In der letzten Camp-Woche wurde mir jedoch klar, dass ich den Cut besser am Ende von „The Novice“ setzte und aus dem Rest eine weitere Geschichte mache. Ab hier verlagert sich der Schwerpunkt der Handlung sehr stark und allein mit den Ereignissen und Akkarins Wandlung in „The High Lord“ könnte ich eine komplette Story füllen. Nicht zuletzt wird für den letzten Teil der Trilogie sehr viel Fingerspitzengefühl erforderlich sein, damit es keine Nacherzählung aus Akkarins Perspektive wird.

Das Problem mit der Nacherzählung begegnete mir allerdings schon in „Darker Than Black“. Nach 25 Kapiteln, in denen Akkarin lüsternen Frauen aus dem Weg ging, durch finstere Gassen oder die Tunnel unter der Universität streifte, Anurischen Dunkelwein trank, sich in Bolhäusern herumtrieb, Sachakaner tötete oder mit Blutjuwelen experimentierte, gerät sein Leben plötzlich durcheinander, als ein magisch begabtes Mädchen in den Hüttenvierteln auftaucht und er bei seiner Jagd nach einem neuen Spion sich mit den anderen Magiern in die Quere zu geraten droht. Für jemanden, der dank Sachaka und seines finsteren Geheimnisses einen latenten Kontrollzwang entwickelt hat, eine absolute Katastrophe, wenn auch die Ereignisse in der Mitte von „The Novice“ diese gewaltig übertreffen. Mir war es sehr wichtig, Akkarins Auftritte in „The Magicians’ Guild“ und „The Novice“ in meine Story einzubetten, weil diese Schlüsselszenen eine Brücke zwischen den Büchern und seiner eigenen Story schlagen.

Indem ich jene Szenen aus dem Englischen übersetzt und die Dialoge an die Sprechweise der Charaktere in meinen Geschichten angepasst habe (bei mir drücken sich die Magier allesamt ein wenig gewählter als in den Büchern aus) und Akkarins Gedankengänge eingefügt habe, war schon ein erster Schritt getan, die Nacherzählung zu vermeiden. Der Trick bei dieser Sache besteht allerdings darin, die Szenen anders einzuleiten und an einer Stelle enden zu lassen, die für Akkarin und nicht für den Erzählcharakter aus dem Original relevant ist, und diese dann in den Kontext von Akkarins Storyline zu bringen. Nachdem ich das ein paarmal gemacht und das Ergebnis gelesen hatte, war ich überrascht, dass dabei eine völlig neue Szene herauskam.

Für den Teil, der parallel zu „The High Lord“ läuft, wird dem jedoch einiges an Planung und Überlegungen vorausgehen. Zudem werde ich darauf achten müssen, dass die Story nicht in eine Romanze abdriftet, zumal Akkarin zu diesem Zeitpunkt schon so lange alleine ist, dass er nicht nur Schwierigkeiten haben wird, seine Gefühle zu akzeptieren, sondern diese auch noch sehr heftig ausfallen dürften.

Das Schreiben aus Akkarins Perspektive war für mich eine überaus faszinierende und spannende Erfahrung. In diesen 31 Tagen habe ich meinen Lieblingscharakter noch besser kennengelernt und verstanden, wie als ich im Jahr zuvor „Unter tausend schwarzen Sonnen“ geschrieben habe. Akkarin ist kein Fangirl-Objekt. Er ist düster, ein ziemlicher Misanthrop, hadert mit seinen dunklen Seiten und leidet unter Schuldgefühlen, weil er die Menschen verletzen muss, die er liebt. Er hadert damit, Takan zu seiner Quelle zu machen und ihm das zu geben, was dieser sich für ihr Miteinander wünscht. Er hat Schwierigkeiten, seine Freundschaft zu Lorlen wiederaufleben zu lassen, nachdem fünf Jahre Sachaka eine riesige Kluft zwischen ihnen aufgerissen haben. Irgendwie gelingt es ihm dennoch, und Lorlen bildet fortan für ihn eine Verbindung zur Gilde und zur Normalität, während Akkarin den Rest der Zeit mit seinem geheimen Doppelleben beschäftigt ist. Diese Verbindung bröckelt, als Lorlen sich von ihm zurückzieht und der Blutring offenbart schließlich Dinge, die Akkarin über seinen besten Freund niemals wissen wollte.

Auch sein Verhältnis zu Sonea hat mich überrascht. Zuerst war sie nur das Mädchen, das seine Jagd gestört hat, dann stellt sich sein Leben völlig auf dem Kopf, als er herausfindet, dass sie sein Geheimnis kennt. Dadurch, dass sie fortan bei ihm wohnen muss, fühlt er sich wie ein Eindringling in seinem eigenen Haus. Wo er sonst immer so redegewandt ist, scheitert er an ihrem Trotz, obwohl sie eine hervorragende Diskussionspartnerin sein könnte. Es fällt ihm schwer, sich mit ihrer Anwesenheit in seinen Räumlichkeiten zu arrangieren und zu akzeptieren, dass sie wirklich seine Novizin ist.

„Darker Than Black“ ist der zweite Teil einer Trilogie, für die ich noch keinen offiziellen Namen habe. Mein flapsiger Arbeitstitel „50 Shades of Akkarin“ hat weniger mit der Twilight-Fanfiction zu tun, als damit, dass angefangen mit „Unter tausend schwarzen Sonnen“ so unglaublich viele Facetten dieses wunderbaren Charakters hervorgeholt werden, von denen einige zum Niederknien sind, während andere die tiefen Abgründe seiner Seele offenbaren. In jedem Fall ist Akkarin in dieser Trilogie ein Charakter, der mich beim Schreiben immer wieder aufs Neue überraschen kann. Durch ihn erhalten meine Lieblingsszenen in den Büchern zudem eine völlig neue Bedeutung.

Was das Camp sonst für mich bereitgehalten hat

Irgendwie war dieser NaNoWriMo nicht für Akkarin ein Kampf gegen die eigenen Dämonen, sondern auch für mich. Es ging darum zu schreiben, auch wenn es einem dreckig geht und damit Abstand von den Dingen zu gewinnen, die man nicht ändern kann. Und es ging darum, mich wieder auf das Gefühl zu besinnen, etwas wirklich nur für mich zu schreiben. Nach zwei Jahren auf Fanfiction.de hatte ich dieses Gefühl ein Stück weit verloren.

Meine Hoffnung, die 31 Tage ohne persönliche Dramen zu überstehen, wurde gleich am zweiten Wochenende zunichtegemacht. Wie es mir trotzdem gelungen ist, die mehr als 160k Wörter zusammenzukriegen, weiß ich nicht. Das Hinarbeiten auf ein Wortziel, das tägliche Aktualisieren des Wordcounts und das Schreiben mit anderen in einer Gruppe hatten daran vermutlich ebenso viel Anteil wie meine Sturheit, das durchzuziehen, obwohl es Tage gab, an denen mich lieber in irgendeinem finsteren Loch verkrochen hätte.

„Darker Than Black“ zu schreiben war in gewisser Weise auch eine Therapie, um mit den Dingen, die mir seit einer Weile vermehrt das Leben schwermachen, zurechtzukommen. Es war eine Flucht und eine Verarbeitung. Indem ich über den post-Sachaka Akkarin geschrieben habe, habe ich etwas kompensiert, was ich bei dem Menschen, der mir am meisten auf dieser Welt bedeutet, nicht heilen kann.

In meinem Schreibzimmer konnte ich in dieser Zeit überhaupt nicht schreiben. Ich habe es an einem oder zwei Abenden mit schlechtem Wetter versucht, doch irgendwie verbinde ich mit diesem Ort momentan zu viel emotionalem Stress. Stattdessen habe ich die Wochenenden und die langen warmen Abende auf meinem Balkon verbracht und mich bei schlechterem Wetter auf der Couch gelümmelt. Auch meine Kamelot-Playlist konnte ich nicht so exzessiv hören, wie ich mir das gewünscht hatte, weil sie mir „zu fröhlich“ war. Selbst das neue Album, das ich als Soundtrack für „Darker Than Black“ auserkoren hatte, war für meine Gemütsstimmung zu fröhlich. Die Alternativen, Dream Theater und Insomnium haben dagegen umso besser funktioniert.

Auch wenn ich in meiner Cabin oft durch Abwesenheit geglänzt habe, habe ich dort ein paar wundervolle, neue Bekanntschaften gemacht. Auf diese Weise habe ich einige andere HSP kennengelernt, was für mich eine unglaubliche Erleichterung war. Sich mit Leuten auszutauschen, die die gleiche Veranlagung haben und mit den gleichen Schwierigkeiten sowohl beim Schreiben als auch im realen Leben zu kämpfen haben, tut verdammt gut und hat gemacht, dass ich mich selbst ein Stück weniger neurotisch gefühlt habe.

Fazit

Dieses Camp hat mir nicht nur ein tieferes Verständnis meines Lieblings-Buchcharakters ermöglichst – es hat mich auch härter gemacht. Wie schon im November habe ich mir bewiesen, dass ich auch in Krisenzeiten schreiben kann – ja, sogar schreiben muss, um mit den Dingen, die ich nicht ändern kann, fertig zu werden. Vielleicht kann ich ein Stück davon in die restliche Zeit des Jahres retten. Zu Schreiben ist für mich unheimlich wichtig. Von allen Dingen, an denen mein Herz hängt und bei denen ich zu mir selbst finden kann, ist es aktuell die einzige Konstante in meinem Leben. Es ist wichtig, dass ich mir diese auch dann noch bewahre, wenn alles um mich herum zusammenbricht.

Ich weiß noch nicht, ob „Darker Than Black“ jemals online gehen wird. Das hängt davon ab, ob ich „Unter tausend schwarzen Sonnen“ irgendwann weiter hochlade und ob ich es schaffe, das auch bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Und das hängt wiederum davon ab, ob es mir gelingt, mich emotional so weit von der Story und ihrem Protagonisten zu distanzieren, dass Desinteresse und schlechte Kritiken mich nicht mehr so treffen. Und das hängt davon ab, ob ich die nötige Stabilität finde, die meinem Leben momentan fehlt.

* Für eine Veröffentlichung würde der Titel wahrscheinlich „Schwärzer als die Nacht“ lauten, da ich es nicht so mit englischen Titeln habe.