Überarbeitungen in der Königsmörderin: „Problemcharaktere“ und die Vorbereitung der kommenden Kapitel

In den vergangenen beiden Wochen habe ich diverse Überarbeitung an der „Königsmörderin“ vorgenommen. Einige davon in bereits hochgeladenden Kapiteln, die übrigen in den Kapiteln, die in den nächsten Wochen und Monaten online gehen. Neben meinen beiden „Problemcharakteren“*, wie ich sie momentan halb-ironisch bezeichne, ging es dabei um stilistische Überarbeitungen und Leserfeedback.

„Problemcharakter“ Nr. 1: Ivasako

Im April hatte ich versprochen, Ivasakos Szenen in den ersten Kapiteln der „Königsmörderin“ noch einmal zu überarbeiten. Dabei ging es darum, die Lücke zwischen der ersten Trilogie und den aktuellen Ereignissen zu schließen.

Ein Hauptkritikpunkt damals war, dass Ivasakos Motive und seine Entwicklung seit „Yukai“ nur ungenügend nachvollziehbar waren. Tatsächlich hatte ich nach meiner Überarbeitung von „Die zwei Könige“ nicht den Eindruck, dass hier noch viel getan werden muss. Dennoch habe die Gelegenheit genutzt, um Ivasakos Persönlichkeit stärker herauszuarbeiten.

Das bedeutet übrigens nicht, dass ich detailliert beschrieben habe, was er in den zehn Jahren zwischen beiden Trilogien erlebt hat. Das mache ich bei keinem Erzählcharakter, meist beschränke ich mich auf Eckpunkte. In Ivasakos Fall waren diese größtenteils schon im Text enthalten: seine Hochzeit, seine Arbeit für den König, Ishakas „Hochzeitsgeschenk“ und die Verfolgung seiner wahren Ziele.

Letzteres habe ich etwas detaillierter beschrieben und dabei seinen inneren Konflikt herausgearbeitet – i.e. der Gegensatz zwischen seinem Wunsch nach Rache und

  • Seinem Unbehagen Unschuldige und Unbeteiligte zu töten,

  • Seinen Wünschen für Sachakas Zukunft (hierzu gab es in den Reviews immer wieder Verwirrung, obwohl es mehrfach erwähnt wird, und hier wäre es für mich hilfreich zu erfahren, ob das nur in Vergessenheit geraten ist oder, ob seine Darstellung nicht überzeugt).

Die meisten dieser Änderungen sind kurze Passagen über die bisher veröffentlichten Kapitel verteilt, immer da, wo ich es für passend halte. Mein Ziel ist es, kein Infodumping in langen Textblöcken zu betreiben, und sofern möglich, die nötigen Informationen in Nebensätzen und kurzen Absätzen einfließen zu lassen. Etwas ausführlicher beschreibe ich seinen Zwiespalt in den Kapiteln 9 und 12.

In Kapitel 15 habe ich außerdem ein „Tell“ in ein aus meiner Sicht recht amüsantes „Show“ umgewandelt. In dieser Szene ist Ivasako mit seiner Frau bei einem Ashaki zu Gast und gezwungen, sich an die gesellschaftlichen Konventionen zu halten, i.e. so über seine Frau zu sprechen, als wäre diese nicht da. In der neuen Version lernt man, wie Ienara ihn diesbezüglich coacht.

Indem ich nur Ivasakos Szenen gelesen habe, hatte ich die Möglichkeit, Wiederholungen und Logikprobleme auszumerzen. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass er einerseits als „Sklavenfreund“ gilt, andererseits versucht wie ein „echter“ Sachakaner aufzutreten. Hier gab es einige Passagen, die sich unlogisch und verwirrend lasen. Entweder, er nähert seine Denk- und Lebensweise immer mehr den Ashaki an oder er bleibt ein „Sklavenfreund“. Dann habe ich jedoch einen Weg gefunden, um beides plausibel miteinander zu verbinden – und das spielt mir für seine spätere Entwicklung wunderbar in die Hände.

Zusätzlich dazu habe ich kleinere stilistische Änderungen an seinen Szenen vorgenommen und Tippfehler und Editier-Fehler, die durch den Algorithmus meines Duden-Plugins fallen, behoben.

Insgesamt sind die Änderungen eher gering, aber zumindest aus meiner Sicht sollten sie ausreichen, um Ivasako besser zu verstehen. Zumindest in Kombination mit der überarbeiteten Version von „Die zwei Könige“.

Leider kann ich nicht beurteilen, ob selbst das aus Lesersicht ausreicht, da ich mein Wissen über die Charaktere und die Handlung nicht einfach eliminieren kann. Daher kann ich hier nur auf entsprechendes Feedback hoffen.

Ivasako als Gegenspieler

Neulich erhielt ich ein Review, in dem angemerkt wurde, dass es antiklimaktisch ist, wenn man den Bösewicht der Geschichte schon kennt. Das ist ein Thema, über das ich mir beim Schreiben der „Königsmörderin“ auch immer wieder Gedanken gemacht habe und bei dem ich große Sorge hatte, dass es nicht gut ankommt, weil die Spannung fehlt.

Ich bin hier sehr zwiegespalten. Denn ich sehe diese Frage in Abhängigkeit von der Art der Geschichte und die hinter einer konkreten Umsetzung steckende Absicht.

Bei einem Krimi/Thriller würde ich erwarten, dass der Gegenspieler am Ende enthüllt wird. Hier liegt die Spannung für mich im Mitraten und dem Aufstellen und Verwerfen von Theorien.

Es gibt aber auch Geschichten, in denen man den Gegenspieler der Helden kennt. Hier liegt die Spannung für mich in der Dynamik zwischen den „guten“ und den „bösen“ Charakteren und in der Frage, wie dem Gegenspieler das Handwerk gelegt wird.

Ivasako war von Anfang an dazu gedacht, in der zweiten Trilogie zu Soneas Gegenspieler zu werden. Ich habe ihn entsprechend aufgebaut und es ist ein zentraler Teil seiner Charakterentwicklung vom Guten zum Negativen.

Um ihn erst später als Antagonisten zu enthüllen, dürfte er in der „Königsmörderin“ kein Erzählcharakter sein. Das stellt mich gleich vor mehrere Probleme:

  1. Die Ereignisse in Arvice werden nur unzureichend abgedeckt.

  2. Es würde seltsam wirken, nachdem ich ihn in den beiden vorangegangenen Teilen so intensiv aufgebaut habe.

Ist Ivasako in der „Königsmörderin“ ein Erzählcharakter, habe ich viel bessere Möglichkeiten, seinen Charakter weiterzuentwickeln und seine inneren Konflikte darzustellen. Außerdem bekommt man so einen guten Eindruck in das Spiel, das er nicht nur mit den Gildenmagiern, sondern auch mit dem König und den übrigen Beratern treibt.

Ivasako ist für mich weniger ein Bösewicht als ein Gegenspieler. Er will zwar Soneas Tod um jeden Preis, doch davon abgesehen hat er weitgehend edle Ziele und moralische Prinzipien. Würde ich die Geschichte nur aus seiner Perspektive schreiben, wäre er ein Antiheld auf einem Rachefeldzug.

„Falsche Versprechen“ als mögliche Ursache

Im Laufe einer Geschichte gibt ein Autor implizite Versprechen an seine Leserschaft. Diese lösen eine Erwartungshaltung aus, die am Ende der Geschichte erfüllt werden muss. Wird dieses Versprechen gebrochen, so löst das bei der Leserschaft Enttäuschung und Frustration aus sowie das Gefühl aus, betrogen worden zu sein. Es sei denn, das Versprechen wird durch eine zufriedenstellende Alternative ersetzt (siehe dazu auch die 2020er Creative Writing Lectures von Brandon Sanderson am BYU auf Youtube). Canavan ist das am Ende von The High Lord misslungen, als sie Akkarin getötet und Sonea einen Bastard untergeschoben hat. Selbiges gilt für diverse gute Ansätze, die nicht weiterverfolgt wurden, aber das würde hier zu weit führen.

Dieses Review hat mich nachdenklich gestimmt und mich zu der Frage gebracht, ob ich im ersten Kapitel der „Königsmörderin“ unbewusst das implizite Versprechen gegeben habe, dass diese Geschichte mehr einem Krimi/Thriller gleicht. Sprich: dass der Gegenspieler bis kurz vorm Ende nicht wirklich greifbar ist. Insofern kann ich verstehen, dass Ivasakos offensichtliche Involvierung in die Ereignisse in Imardin als Bruch dieses Versprechens aufgefasst wird. Die damit verbundene Erwartungshaltung wird enttäuscht, was zu einem Verlust der Spannung führt.

Leider habe ich für dieses Problem im Augenblick keine Lösung. Vielleicht würde es mir helfen zu wissen, was den Lesern fehlt, damit die Handlung spannend ist, obwohl der Antagonist schon längst feststeht. Vielleicht ist es auch ein strukturelles Problem, das sich nur durch ein komplettes Umschreiben der Geschichte lösen ließe – etwas, das ich nicht anstrebe. Für zukünftige Projekte wäre das jedoch hilfreich.

Vorbereitung der kommenden Kapitel und „Problemcharakter“ Nr. 2

In den vergangenen beiden Wochen habe ich die Kapitel, die bis Weihnachten online gehen, noch ein letztes Mal überarbeitet. Dabei lag mein Augenmerk neben stilistischen Korrekturen vor allem auf zwei Aspekten:

  1. Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus Leserkommentaren zum Streit von Sonea und Akkarin.

  2. Danyara on-the-fly so schreiben, dass ihr Autismus erkennbar ist, ohne dabei gleich mit dem ganzen Lattenzaun zu winken.

Für beide Punkte habe ich betreffende Szenen ein zweites Mal überarbeitet, nachdem ich mit den allgemeinen Arbeiten durch war. So hatte ich das Gesamtbild besser vor Augen und konnte die Notizen, die ich mir nebenbei gemacht habe, besser einarbeiten.

In Bezug auf Sonea und Akkarin mache ich mir da keine Sorgen; bei Danyara bin ich mir unsicher, inwiefern sie sich überhaupt von den anderen Charakteren abhebt. Dabei geht es weniger um Subtilität vs. Plakativität bei der Darstellung von Charaktereigenschaften als um Gemeinsamkeiten mit anderen Charakteren, wenn auch diese eher auf der Detailebene stattfinden. Aber wahrscheinlich lässt sich dieses Problem nur zu meiner Zufriedenheit lösen, wenn ich dies mit einer Person diskutieren könnte, die selbst autistisch ist. Ab einem bestimmten Punkt bringt einen alle Recherche nicht mehr weiter und ich hoffe, mich hier nicht überschätzt zu haben. Nichtsdestotrotz ist es mir gelungen, viele kleine Details einzubauen, die Danyaras Charakter lebendiger machen.

Der Rest waren stilistische Korrekturen, das Entfernen von Redundanzen und die Korrektur von Tipp- und Editierfehlern. Gefühlt haben diese sich in Grenzen gehalten, allerdings gebe ich darauf keine Garantie, weil ich den Großteil der Kapitel während der letzten Hitzewelle durchgearbeitet habe.

Was kann ich für die kommenden Kapitel versprechen, ohne zu spoilern?

  • Zahlreiche amüsante Dialoge

  • Gefährliche Missionen

  • Begründete und als satirisch zu sehende OOC-ness in zwei Fällen

  • Ein langersehntes Ereignis tritt endlich ein.

Zu vage? Sorry, aber das Foltern von Lesern steht wie das Foltern von Charakteren in der Jobbeschreibung 😉


* damit will ich ausdrücken, dass diese beiden Charaktere sehr viel Überarbeitungs-Overhead erzeugen, weil ich bei ihnen in der Vergangenheit unwissentlich geschlampt habe.