Wie ein Schneesturm im April II – Kopfüber ins YoI-Universum

Vor zweieinhalb Monaten hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich jetzt nicht den Plot für das letzte Drittel von „Das Erbe 3“ für das obligatorische Juli-Schreibcamp ausarbeite, sondern eine Fanfiction zu einem völlig anderen Genre und Medium als Fantasy-Büchern schreibe.

Dann habe ich mich in die Anime-Serie Yūri!!! On Ice verliebt.

Das ist ja inzwischen nichts Neues mehr, doch gegen die Vorstellung jetzt und nicht in ein paar Monaten dazu Fanfiction zu schreiben, habe ich mich anfangs sehr gewehrt. Ich bin kein Mensch, der sich Hals über Kopf in etwas Neues stürzt. Neue Schreibprojekte werden eingeplant, so dass ich Arbeiten an einem aktuellen Projekt nicht unterbrechen muss und darüber meinen Kopf in totales Chaos stürze. Ironischerweise hat einer der Charaktere mich zu so viel Spontanität inspiriert. Und ich habe es nicht bereut, auch wenn es mir nicht leicht fiel zu akzeptieren, dass ich „Das Erbe 3“ erst in ein paar Monaten zu Ende schreiben werde. Aber ein Fangirl muss seinem Herzen folgen.

Für alle, die es nicht kennen: Yūri!!! On Ice in a nutshell

Nach einer Niederlage versucht der Eiskunstläufer Katsuki Yūri mit Hilfe seines Idols Viktor Nikiforov, der in seiner Karriere keine Erfüllung mehr findet, einen Neustart. Doch um zu gewinnen, muss Yūri seine Ängste und Unsicherheiten überwinden. Und dabei finden Yūri und Viktor nicht nur einen neuen Sinn in dem, was sie am meisten lieben, sondern auch einander.

Ein Plan, der eskalierte

Meine initiale Idee war, ein oder zwei Oneshots zu schreiben, die zwischen den Episoden spielen und sich mit der Entwicklung der Hauptcharaktere beschäftigen. Etwa zur selben Zeit liebäugelte ich jedoch mit der Idee, eine Fortsetzung zu schreiben. Da ich dazu allerdings sehr viel über Eiskunstlauf recherchieren muss, plante ich das für nächstes Jahr ein, wenn die Rohfassungen von „Das Erbe 3“ und meiner Lightbringer-Fanfiction „The Blighted God“ beendet sind. Schnell wurde jedoch klar, dass Oneshots, die während der Serie spielen, eine großartige Möglichkeit sind, die Charaktere näher kennenzulernen und ein „Gefühl“ für sie zu bekommen. Da ich mich sowieso nicht von ihnen lösen konnte, spielte mir das in die Hände. Innerhalb einer Woche eskalierte diese Idee zu einer Geschichte, die sich mit der Offscreen-Handlung der Serie befasst. Plötzlich hatte ich ein Projekt für den Sommer, das momentan unter dem unfassbar kreativen Arbeitstitel „Untitled on Ice“ läuft. Und so fing ich einen Monat, nachdem ich erstmals die erste Folge erblickte, mit dem Schreiben an – wie bei allen neuen Projekten auf Englisch.

Der Wechsel in das neue Universum war nicht gerade leicht, doch die Tatsache, dass ich den Anime gerade zweimal hintereinander (und einige Folgen und Lieblingsszenen noch wesentlich häufiger) gesehen und darüber eine neue Obsession entwickelt hatte, hat mir bei dem Umstieg sehr geholfen.

Yūri!!! On Ice hat bei mir offene Türen eingerannt, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Der Anime bietet sehr viele Möglichkeiten, mich schreibtechnisch weiterzuentwickeln und Neues zu lernen und befriedigt meinen inneren Nerd in Bezug auf erzähltechnische Aspekte. Die verschiedenen in der Geschichte behandelten Themen sprechen mir aus der Seele und verlangen nach Auseinandersetzung. Und ich habe ein neues OTP.

Das Medium

Während ich in einem Buch die Möglichkeit habe, tief in die Gedankenwelt eines Charakters einzutauchen und ein „Gefühl“ für die Erzählcharaktere zu bekommen, ist diese Möglichkeit bei Filmen und Serien durch die Natur des Mediums eingeschränkt*. Innere Monologe sind dabei ebenso hilfreich wie, wenn ich mich in diesem Charakter wiederfinde. In Yūri konnte ich mich daher relativ leicht einfühlen. Richtig brutal wird es dagegen, wenn ich einen Charakter zum Erzählcharakter ernenne, der mir so gar nicht ähnlich ist und über dessen Gedankenwelt ich im Original nur sehr wenig erfahre (dazu weiter unten mehr).

Doch nicht nur die Gedankenwelt der Charaktere muss in Schriftform gebracht werden, auch Settings und Ereignisse müssen von Bildform zu Text transferiert werden. Bei einem Buch kann ich mich am Schreibstil orientieren, um den „Geist des Originals“ einzufangen. Aber wie fängt man den „Geist“ von bewegten Bildern ein? Also von Bildern, die nicht im Kopf entstehen, sondern die echt und konkret sind und die man in all ihrer Schönheit in Poesie fassen will?

* Anime ist strenggenommen ein gesondertes Medium, stellt mich im Großen und Ganzen vor ähnliche Herausforderungen, da es sich auch hier um bewegte Bilder vs. Text handelt.

Andere Kulturen & Schauplätze

Wo sich die Recherche bei Fanfiction zu Fantasy-Werken auf das Originalwerk beschränkt, sofern man nicht Themen einbringt, die man recherchieren muss, kann Recherche für ein Reallife-Setting ausarten. Und hier bin ich mit Freuden eskaliert. Ich finde diesen Aspekt unglaublich spannend und zum Glück erweist sich Google hier ausnahmsweise als mein Freund und Helfer – sei es bei Zugfahrten, Freizeitaktivitäten, Feiertagen, Speisen, Wettkampfaustragungsorten oder der japanischen Kultur und Sprache.

Eiskunstlauf

Tatsächlich hat mich Eiskunstlauf schon immer interessiert, aber da dieser Sport in Deutschland kaum Beachtung findet, ging das jahrelang an mir vorbei. Momentan schaue ich alte Livestreams. Mein Ziel ist es, ein Verständnis der Techniken, ihrer Ausführung und typischen Fehlern zu bekommen und das Bewertungssystem zu verstehen. Nicht zu vergessen die ganzen Meta-Informationen um das Thema.

Da „Untitled on Ice“ sich mit der Offscreen-Handlung der Serie befasst, brauche ich nicht über Wettkämpfe zu schreiben. In der Fortsetzung wird das anders aussehen und bis ich diese angehe, will ich eine komplette Saison gesehen haben. Doch auch in „Untitled on Ice“ gibt es genug Szenen, für die ich auf ein solides Wissen in diesem Bereich angewiesen bin – sei, weil die Charaktere über einen Wettkampf sprechen oder weil die Szene im Training spielt. Nicht zu vergessen, dass ich Wege finden muss, um die Komplexität der Bewegungen in eine ansprechende Textform zu transferieren. Und das ist ein ständiger Balanceakt zwischen technischen Beschreibungen, Abstraktion, Poesie und dem inneren Monolog des Erzählcharakters.

Es würde mich nicht wundern, wenn sich hier eine Nebenobsession entwickelt – zumindest habe ich einen Sport gefunden, den ich aktiv verfolgen und über den ich alles lernen will.

Erzähltechnische Elemente der Serie

Ich sage euch: Wenn wir diese Serie damals in der Schule besprochen hätten, wäre mein innerer Nerd vor Freude ausgeflippt, weil es hier so viel zu analysieren und interpretieren gibt. Sei es wie der Titel eines Musikstücks, das eine zentrale Rolle spielt, in Dialoge der Hauptcharaktere eingebaut wird. Oder wie die Beziehung der Hauptcharaktere durch die Beziehungen anderer Charaktere gegengespiegelt wird. Die Bedeutung von Onamori fügt mehrere Bedeutungsebenen zu einem Ereignis in Episode 10 hinzu. Auch über die Wahl der Musikinstrumente bei der Hintergrundmusik und einem zweiten für die Handlung zentralen Musikstück lässt sich im Hinblick auf die Charaktere einiges sagen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Details in den Szenen, die der Handlung weitere Tiefe verleihen, wenn man nicht nur an den Untertiteln klebt und. Im Hinblick auf Stilmittel gibt es hier einiges zu entdecken und zu analysieren, zusätzlich zu meinen Analysen der Charaktere. Ich könnte noch ewig weitermachen und das alles im Detail ausführen, aber dann müsste ich eine Dissertation schreiben.

Manche Aspekte gehen leider in der nicht immer korrekten Übersetzung der Untertitel unter, bei anderen Aspekten habe ich große Wissenslücken, die sich nur mit der Zeit schließen werden – zum Beispiel bin ich mit Musik-Analysen oder der japanischen Kultur & Sprache bis jetzt fast gar nicht vertraut. In den ersten Wochen habe ich mich durch Reddit-Diskussionen und Blogs durchgewühlt und Meta-Analysen zur Serie gelesen, um diese ganze Vielfalt zu erkennen und zu wertschätzen (und habe darüber wochenlang zu wenig geschlafen und mich durch den Brotjob durchgemurkst, weil ich an nichts anderes denken konnte). Ihr versteht hoffentlich, warum ich von einer neuen Nerd-Obsession spreche.

Lektionen im Perspective-taking

Und damit wären wir bei Viktor, meinem zweiten Erzählcharakter. Seine technische Funktion in der Serie ist die des Support-Charakters für den Protagonisten, also für Yūri. Was für die Serie funktioniert, ging in „Untitled on Ice“ schief, weil ich anders als in der Serie nicht Yūris Offscreen-Geschichte erzähle, sondern die Geschichte von Viktor und Yūri. Damit habe plötzlich ich zwei Protagonisten und um dem gerecht zu werden, brauchte ich zwei gleichberechtigte Erzählcharaktere.

Wo ein Buch mir helfen würde, einen Nicht-Erzählcharakter in meiner Fanfiction zum Erzählcharakter zu machen, laufe ich bei filmischen Medium geradewegs ins Disaster. Zumindest hat es sich so angefühlt. Einen Nicht-Erzählcharakter aus der Perspektive eines Erzählcharakters zu beschreiben, funktioniert noch recht gut. Seine Motive und Entscheidungen logisch nachzuvollziehen, ist dagegen verdammt schwer, insbesondere wenn der Charakter mir nicht unähnlicher sein könnte. Von seiner Gedankenwelt einmal ganz zu schweigen. Die Zahl der Freiheitsgrade ist hier wesentlich höher als bei einem Buch, weil die Textform zur Orientierung fehlt. Und generell hat man schon mehr Freiheitsgrade, wenn der Charakter im Original kein Erzählcharakter war. Will man die authentischste, canon-nächste Version eines Charakters schreiben – und das brauche ich, um den Geist des Originals in meinen Fanfictions weiterleben zu lassen – erschweren diese zusätzlichen Freiheitsgrade die Arbeit erheblich.

Zu Viktors Gedankenwelt konnte ich nur einen Zugang finden, indem ich seine Aktionen in der Serie anhand seiner Persönlichkeit und seiner Geschichte bzw. dem Vorwissen, mit dem er in die Handlung startet, hin analysiert und logisch zu erklären versucht habe. Im echten Leben habe ich dazu oft gar nicht so viel Gelegenheit, wie ich bräuchte.

Das Normale normalisieren

In der Welt von Yūri!!! On Ice gibt es keinen Hass und man wird nicht dafür diskriminiert, wen man liebt oder wer man ist. Und das ist in meinen Augen ein sehr mächtiges Statement.

Ich will damit keineswegs die Wichtigkeit der Thematisierung von Queerfeindlichkeit, Diskriminierung etc. in Fiktion kleinreden, doch ich halte Geschichten, die zeigen wie es sein könnte und sollte für ebenso wichtig und valide. Geschichten beeinflussen unser Weltbild, zeigen Missstände auf, aber führen uns auch das Erstrebenswerte vor Augen. Und eine Welt ohne Hass, Vorurteile und Diskriminierung ist für mich eine sehr erstrebenswerte Welt. Es ist eine Welt, in der ich gerne verweilen will und die einen notwendigen Ausgleich zur realen Welt bietet. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Queerfeindlichkeit und dem Missionieren uneinsichtiger Charaktere habe ich meine Black Magician Fanfictions; bei YoI bin ich einfach nur froh, dass die Charaktere von diesen Dingen verschont bleiben. Bis zu diesem Anime war mir nicht klar, wie dringend ich eine solche Geschichte gebraucht habe.

Ein anderes Genre

Offiziell wird YoI den Genres Drama, Sport und Comedy zugeordnet. In „Untitled on Ice“ kommt noch Romance hinzu, wo das in der Serie ein Nebenplot ist (wobei ich diesen Aspekt zu sehr mit der Handlung verwoben sehe, um es unter den Tisch zu kehren, aber ich mache diese Kategorisierungen nicht). Zwar habe ich bis auf Sport alles davon schon in mehr oder weniger großen Anteilen geschrieben, doch einen so starken Fokus auf Romance hatte ich noch nie. In meinen Fanfictions war das bisher immer nur ein Nebenplot, der häufig darin besteht, dass mindestens ein Charakter sich seiner Gefühle und/oder der Gefühle des Love Interests nicht bewusst ist – etwas, womit ich mich auch im echten Leben schwertue. Yūri und Viktor hingegen wissen schon sehr früh in der Geschichte, was sie voneinander wollen, und arbeiten mal mehr, mal weniger erfolgreich darauf hin. Also kein elendiges „will they, won’t they“, sondern eher ein „when will they“. Und der Weg dorthin ist geprägt durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Charaktere und Yūris Kämpfe mit seinen inneren Dämonen. Das alles erfordert eine sehr intensive Auseinandersetzung mit der Gefühls- und Gedankenwelt der Charaktere und das versuche ich mit größtmöglicher Poesie zu beschreiben, ohne übermäßig kitschig zu werden. Und nicht selten verliere ich mich darin anstatt zu schreiben.

Ein Protagonist, der zugleich sein Antagonist ist

Yūri leidet unter Ängsten, die aus dem Gedanken „nicht genug zu sein“ resultieren und ein sehr negatives Selbstwertgefühl erzeugen. Dadurch, dass er sich nur mit den besten der Besten vergleicht, sieht er nicht, dass er selbst dieser Gruppe angehört. Im Laufe der Serie erlebt man zudem, wie seine Angst in einem Bereich weniger wird, dafür in einem anderen zunimmt, auch wenn dieser Prozess von Höhen und Tiefen begleitet ist. Damit kommt die Serie ohne einen Antagonisten oder plotgetriebenes Drama aus – das Drama spielt sich in Yūris Kopf ab. Seine Ängste legen ihm immer wieder Steine in den Weg und damit ist er sein eigener Antagonist bzw. um präzise zu sein, sind seine inneren Dämonen seine Ängste. Und darüber zu schreiben, liegt mir sehr am Herzen.

Andere Kommunikationsformen

Dazu, wie Charaktere kommunizieren, lässt sich ebenfalls einiges sagen. Yūri kommuniziert seine Gefühle mehr durch Taten, kulturspezifische Metaphern und durch Eiskunstlauf, als durch direkte Worte. Insgesamt erlebe ich die Dialoge und den Umgang der verschiedenen Charaktere miteinander bis auf wenige Ausnahmen in einem hohen Maß als respektvoll und wertschätzend – meinem Eindruck nach sogar mehr als bei vielen anderen fiktionalen Werken, die ich in letzter Zeit konsumiert habe, wobei diese dem westlichen Kulturkreis entstammen. Und auch der Humor ist anders, als ich es gewohnt bin und das auf eine sehr positive Weise. Vielleicht habe ich bis jetzt auch einfach nur das Falsche konsumiert.

Beim Schreiben gehe ich daher hier mit großer Achtsamkeit vor, die nicht nur damit zu tun hat, die Charaktere möglichst so reden zu lassen, wie sie es im Original tun. Hier bin ich wirklich gefordert, meine eigene Kommunikationsweise zu überdenken und zu verbessern. Und das ist etwas, das ich nicht nur für meine Schreibprojekte, sondern auch im richtigen Leben gebrauchen kann.

Nicht das Universum wieder ins Gleichgewicht bringen müssen

Bisher entstanden Fanfiction-Projekte immer aus dem Bedürfnis heraus, etwas retten oder richtigstellen zu müssen. Sei es, weil die eine Hälfte des OTPs in zwei Sätzen getötet wurde, oder weil der Autor in seinem letzten Band mit allen Konzepten von Logik und Konsistenz gebrochen hat. Solche Dinge überschatten meine Liebe zum Originalwerk und das Schreiben einer Fanfiction führt dazu, dass ich Zeit und Energie darauf verwende, diese Dinge zu richten, bevor ich mich glücklich in das Projekt fallenlassen kann. Manchmal sind sie auch das engültige Aus für meine Liebe zu einem bestimmten Werk.

YoI hat nichts dergleichen. Niemand trennt sich. Niemand stirbt. Die Serie bricht auch nicht mit ihren Konzepten, sondern ist diesbezüglich in sich konsistent. Und das ist etwas, das mit mir in Resonanz geht, so dass ich darauf antworten und etwas davon zurückgeben will. Hier kann ich schreiben, ohne etwas verändern zu müssen. Das hebt meine Philosophie „den Geist des Originals zu wahren“ auf eine ganz neue Ebene.

Natürlich ist mir bewusst, dass ich nicht in aller Absolutheit und bei jedem Detail jemals wissen werde, was Kubo-sensei und Sayo Yamamoto, die Schöpferinnen von YoI, im Sinn hatten. Daher werde ich immer nur von dem ausgehen können, was ich weiß und was ich durch meine Analysen logisch ableiten und interpretieren kann. Doch ich muss keinen aus dem Ruder gelaufenen Canon richten. Bei YoI würde mir das noch mehr ein Sakrileg erscheinen als bei allen anderen Projekten. Weil es so, wie es ist, für mich perfekt ist.

Das Beste kommt zum Schluss: Mein neues OTP

(An dieser Stelle kommen mir die Worte abhanden und ich fürchte, dieser Teil liest sich viel platter, als ich in Worte fassen kann.)

Tatsächlich waren Viktor und Yūri der Hauptgrund, warum ich die Serie überhaupt sehen wollte. Dass sie zu meinem zweiten OTP (One True Pair) werden, damit habe ich nicht gerechnet, weil ich bisher nur ein einziges OTP hatte. Ich habe lange darüber nachgedacht, warum das so ist, und bin zu dem Schluss gekommen, dass dies mit einem hohen emotionalen Committment von meiner Seite aus verbunden ist – ähnlich wie bei einer Nerd-Obsession. Und dass von zwei Charakteren eine besondere Magie ausgehen muss, damit sie von mir das Prädikat OTP bekommen. Anscheinend gelingt das nur wenigen fiktionalen Paaren, die ich sehr mag.

Aber zurück zu Yūri und Viktor. Im Laufe der Serie entwickeln diese beiden Charaktere eine unfassbar tolle Dynamik und erfinden ihre eigenen, kleinen Rituale, die von ihrer gegenseitigen Zuneigung sprechen. Sie wachsen zusammen und wachsen als Individuen und üben einen positiven Einfluss aufeinander aus. Beide machen Fehler und manchmal geht ihre Kommunikation auch total daneben. Doch insgesamt gehen sie die Dinge sehr erwachsen an, behandeln einander mit Respekt und lernen aus ihren Fehlern, was man nicht unbedingt von jedem erwachsenen Pairing sagen kann. Während beide Charaktere auf der Suche nach etwas, das sie wollen, in die Geschichte starten, finden sie am Ende, was sie brauchen.

Beim Schreiben habe ich schnell gelernt, dass es unmöglich ist, dieser Beziehung ein Label zu geben, weil sie so viele Ebenen hat, dass sie sich nicht auf einen Begriff reduzieren lässt. In der Serie wird diesem Pair auch an keiner Stelle ein Label gegeben, was von einigen westlichen Fans kritisiert wurde, weil dies die Beziehung in ihren Augen zu einer Art „Schrödingers Beziehung“ macht. Doch je mehr ich mich mit Yūri und Viktor befasse, desto mehr begreife ich, dass man die Tiefe und Vielschichtigkeit ihrer Beziehung ignoriert, wenn man versucht, ihr ein Label aufzudrücken. Und das ist auch gut so. Ich glaube, das macht die Magie dieses Pairings für mich aus – also das, was Viktor und Yūri für mich zu einem OTP macht.

Jetzt habe ich 3000 Wörter lang versucht zu beschreiben, was mich an Yūri!!! On Ice fasziniert und warum ich all meine Pläne über den Haufen geworfen habe, um dazu Fanfiction zu schreiben, und habe trotzdem das Gefühl, nur an der Oberfläche zu kratzen. Über mein Projekt an sich werde ein anderes Mal schreiben.

Ich habe selten so viel Liebe für ein fiktionales Werk empfunden. Und es gibt nur wenige fiktionale Werke, die mich auf so vielen Ebenen ansprechen, was mich davon überzeugt, dass ich mich mit Yūri!!! On Ice noch lange beschäftigen werde. Kubo-sensei und Sayo Yamamoto haben ihre ganze Liebe in diesen Anime hineingesteckt und diese Liebe scheint aus jeder einzelnen Episode und jeder einzelnen Szene heraus. Und genau so will ich meine ganze Liebe in meine Geschichten in diesem Universum stecken und etwas davon zurückgeben.


Fußnote zum Titelbild: Die Blüte der Sakura gilt in Japan als Symbol für Erneuerung und Neuanfänge. In der ersten Folge von YoI spielen sie eine wichtige Rolle. So auch ein plötzlicher Wintereinbruch. Ja, ich stehe auf Symbolik und Metaphern. Für spätere Blogartikel werde ich mir andere Titelbilder suchen müssen, Artwork verbietet sich ja von selbst …

Fußnote zur Schreibweise: Der japanische Name Yūri wird mit einem langen u gesprochen. In der lateinischen Schreibweise wird dies häufig durch Dopplung des Vokals ausgedrückt, also Yuuri. Alternativ können langgesprochene Vokale mit einem sog. Makron, einem horizontalen Strich symbolisiert werden, also Yūri. Wo der Texteditor es zulässt, wähle ich die zweite Variante, weil ich Sonderzeichen toll finde. Kann aber sein, dass sich das irgendwann ändert.

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