Kapitel 2 – Eine neue Aufgabe (Auszug)

Das Leben in der Stadt war ein müßiges, ereignisloses mit gelegentlichen Höhepunkten in Form von politischen Skandalen und Intrigen der Stadt-Ashaki. So empfand es zumindest Asara. Sie erinnerte sich, das war einmal anders gewesen. Imperator Kachiro war indes schnell darin, seine politischen Gegner zu Ichani zu erklären und in die Ödländer zu verbannen. Darin übertraf er sogar seinen Vorgänger.

Als Frau eines Ashaki mit geringem politischen Einfluss, dessen Porzellangeschäft seit der Schlacht von Arvice mit einem ungeahnten Erfolg gesegnet war, nahm sie hin und wieder an Festen im Palast teil, die der Imperator gab, um sein Volk bei Laune zu halten oder um einen kleinen Sieg in seinem Krieg gegen Asaras Schwestern zu feiern. Asara hasste ihn dafür leidenschaftlich und hätte ihm liebend gern ihren juwelenbesetzten Dolch ins Herz gestoßen, um Sachaka ein zweites Mal ins Chaos zu stürzen. Doch als einzige ihres Volkes in Arvice musste sie unerkannt bleiben, wenn sie der ihr zugewiesenen Aufgabe, dem Beobachten, gerecht werden wollte.

Das Licht der Vormittagssonne fiel golden durch die seidenen Vorhänge ihres Bettes, als Asara aus einem tiefen, erholsamen Schlaf in ihrem privaten Teil von Ashaki Varakos Anwesen erwachte. Einen tiefen Atemzug nehmend rollte sich auf den Rücken und räkelte sich wie ein Zill.

„Guten Morgen, meine Geliebte.“

Mit einem Lächeln drehte Asara sich um. „Vikacha“, sagte sie. „Du bist schon wach?“

„Nur um meiner Meisterin Frühstück zu bringen.“ Vikacha stellte ein Tablett auf ihrem Nachtisch ab. „So wie es sich für einen guten Bettsklaven gehört.“

Asara setzte sich auf. „So, tut es das? Ich dachte immer, Bettsklaven wären dafür da, gewisse Bedürfnisse zu befriedigen. Doch ich muss gestehen, das nicht so genau zu wissen.“

Vikacha beugte sich vor und küsste sie. „Ich würde es eher ’Freude bereiten’ nennen.“

Asara betrachtete ihn erheitert. In seiner Eile, ihr Frühstück zu bringen, hatte er sich nur seine Hose übergezogen. Auch oberhalb davon war er eine äußerst attraktive Augenweide aus breiten Schultern, muskulösen Oberarmen, einer bronzefarbenen Haut, kurzem schwarzen Haar und einem hübschen Gesicht. Auch nach all den Jahren, die er Asara bereits gehörte, hatte er seine Wirkung auf sie nicht verloren.

Träge streckte sie einen Arm aus. „Komm wieder ins Bett“, sagte sie und löste die Schnürung seiner Hose. „Ich will, dass du mit mir frühstückst, aber zunächst muss ich noch einen anderen Hunger befriedigen.“

Vikacha lachte. Er gab ihren Schultern einen sanften Schubs, so dass sie zurück in die Kissen fiel. Dann war er über ihr und bedeckte sie mit Küssen. Asara bäumte sich auf, doch seine starken Arme drückten sie zurück. Sie wusste, sie hätte ihn leicht überwältigen können, aber sie zog es vor, ihr Liebesspiel auf einer Ebene zu belassen, auf der sie ihn nicht übertraf. Ohne ihre Magie war er ihr an Stärke sogar überlegen.

„Der Raka dürfte jetzt kalt sein“, bemerkte er, als sie eine halbe Stunde später erschöpft nebeneinanderlagen.

„Das macht nichts.“ Asara streckte ihren Willen aus und erwärmte die Flüssigkeit in den beiden Porzellanbechern. „Hier“, sagte sie und reichte Vikacha eine zweite Tasse, deren Inhalt wieder zu dampfen begonnen hatte. „Aber verbrenn dich nicht.“

„Was hast du heute vor?“, fragte Vikacha, während Asara vorsichtig von ihrem Raka nippte. „Kachiros Anhänger ausspionieren? Oder die Sklavenmädchen seiner Berater befreien?“

Asara lachte. „Du glaubst nicht, wie sehr es mir danach verlangt, aber leider lauten meine Anweisungen noch immer, mich unauffällig zu verhalten und zu beobachten.“ Und solange es Savedra nicht gelang, eine ausreichende Zahl weiterer Verräter in die Stadt einzuschleusen, würde das so bleiben. „Und selbst wenn, würde ich dich vielleicht nicht mitnehmen können.“

Die Befreiung der Mädchen aus Marikas Cachira war der Höhepunkt sowohl in Asaras Laufbahn als Spionin als auch in der ihres Liebhabers gewesen. Bei Nacht war sie gemeinsam mit ihren Schwestern aus der Stadt und dem Anführer der Gildenmagier in den Palast eingedrungen, hatte Palastwachen und Gäste des Königs gemeuchelt und seine Sklavinnen in Sicherheit gebracht. Der Weg von Arvice in die Berge, wo ihr Volk in einem kleinen versteckten Tal lebte, war weit und führte durch die fruchtbaren Regionen und die Ödländer Sachakas. Asara hatte Vikachas Hilfe bei diesem Auftrag gut gebrauchen können. Sie hatte indes auch verhindern wollen, dass er ein Opfer der auf den Mord an Marika und seinen Anhängern folgenden Unruhen in der Stadt wurde.

Der Gedanke, den Palast erneut zu überfallen und den Imperator auf dieselbe Weise zu meucheln, übte einen ungeahnten Reiz auf Asara aus. Aber ihr fehlten die Leute. Zudem waren die Kontrollen und die Bewachung des Palasts nach jener Aktion verstärkt worden. In den Palast einzudringen kam nun vielmehr einer Selbstmordmission gleich.

„Ich denke, ich werde die Märkte aufsuchen und sehen, wie ich das Geld meines Mannes am effizientesten ausgeben kann“, sagte sie. Als Verräterin machte sie sich nicht viel aus Schmuck und feinen Kleidern, aber als Ehefrau eines Ashaki musste sie zumindest so tun, als fände sie daran Gefallen. Dadurch, dass ihr Mann durch das Aufblühen seines Geschäftes an Ansehen und Einfluss gewonnen hatte, war sie gezwungen, mehr auf ihre äußere Erscheinung zu achten, weil sie nun in etwas feineren Kreisen der sachakanischen Gesellschaft verkehrten.

„Dann werde ich dich begleiten.“

Asara schüttelte den Kopf. „Vikacha, willst du dir das wirklich schon wieder antun?“

Seit der Krieg gegen Kyralia und Savaras Schwestern tobte, kamen nur noch selten Händler aus den Verbündeten Ländern nach Sachaka. Die Duna im Norden waren wild und barbarisch und ihr einziges Geschäft war Krieg. Würden sie Handel betreiben, so hätte Asara niemals etwas von ihnen gekauft, weil es ihr widerstrebte, ihren Feinden zu Erfolg zu verhelfen. Lonmar ganz im Nordwesten Sachakas war das einzige Land der Verbündeten Länder, das wie Sachaka eine Gesellschaft aus Meistern und Sklaven besaß, doch die Lonmar besaßen in Bezug auf Luxusgüter keinen Geschmack. Die einzigen Waren, die sich auf den Märkten von Arvice wiederfanden, bestanden somit seit Monaten aus den Erzeugnissen der Ashaki und ihrer Sklaven selbst. Obwohl es Asara anödete, Woche für Woche dieselben Waren zu bewundern, tat sie, was die anderen reichen Frauen in Arvice auch taten: Einkaufen.

„Du brauchst eine Eskorte“, beharrte ihr Gefährte.

Das war ein Argument, das Asara nicht ausschlagen konnte. Für die Frau eines Ashaki gehörte es sich nicht, alleine das Haus zu verlassen. Sie würde mindestens ein paar Sklaven mitnehmen müssen, um den Anstand zu wahren. Von ihnen allen war Vikacha die angenehmste Gesellschaft.

„Du wirst dich langweilen.“

„Niemals“, entgegnete Vikacha. „Dir beim Einkaufen zuzusehen ist einer der Vorteile, die es hat, dein Lustsklave zu sein.“

Asara betrachtete ihn erheitert. „Ich glaube, jetzt habe ich verstanden, wozu ein Lustsklave da ist!“

Nach dem Frühstück wählte Asara einen langen sachakanischen Wickel aus einem dunkelroten von Goldfäden durchwirkten Stoff, der überdies mit Perlen bestickt war, aus ihrem Kleiderschrank. Seit Sachaka wieder unter der Herrschaft eines Imperators stand, erfreuten sich diese aus der Mode gekommenen Kleidungsstücke besonders unter den Frauen der Stadt-Ashaki großer Beliebtheit. Die Kunst bestand darin, sie so zu wickeln, dass sie sich nicht von selbst wieder lösten. Asara mochte diese Tracht indes nicht besonders, weil sie ihre breiten Schultern unvorteilhaft betonten.

Nun, wenn ich rausgehe, muss ich sie sowieso bedecken, dachte sie.

„Ich denke, das ist so einigermaßen in Ordnung“, bemerkte sie, während sie ihr Spiegelbild mit kritischen Blicken bedachte.

Vikacha trat hinter sie und schlang seine Arme um sie. Im Stehen überragte er sie um mehr als einen Kopf. „Du bist zu kritisch mit dir selbst, Asara“, sagte er und küsste ihr Haar.

Erheitert wandte Asara sich zu ihm um. „Und dein Urteilsvermögen ist eingeschränkt, weil du von deinem Geschlechtsteil beherrscht wirst.“

„Deswegen bin ich auch dein Lustsklave“, erwiderte er und küsste sie.

Eine Weile standen sie eng umschlungen und Asara genoss seine Nähe einfach nur. Sie hasste es, dass sie außerhalb ihrer Gemächer kein Liebespaar sein konnten. Wenn sie ihn mit zu den Märkten nahm, dann entschädigte sie das zumindest ein wenig für all die Einschränkungen, denen ihre Beziehung unterlag.

„Geh und lass schon einmal die Sänfte vorbereiten“, wies sie ihn an. „Und sorge dafür, dass wir ein paar Erfrischungen haben. Aber zieh dir vorher etwas an.“

Seine Augen blitzten. „Ja, Meisterin Asara“, erwiderte er. Er beugte sich zu ihr hinab, um sie erneut zu küssen.

Asara verdrehte die Augen. „Los verschwinde!“, rief sie und gab ihm einen Klaps auf sein wohlgeformtes Hinterteil.

Nachdem Vikacha fort war, wählte Asara eines ihrer Capes und warf es sich über die Schultern. Dann verließ sie ihre Gemächer und betrat den Hauptflügel des Anwesens. Sie fand ihren Mann in seinem Arbeitszimmer, wo er mit einem Stapel Briefe beschäftigt war.

„Guten Morgen, mein Liebling“, flötete sie und küsste ihn auf die Stirn. „Ich gehe zum Markt, brauchst du etwas?“

Ashaki Varako schüttelte den Kopf. Er war alles, was Vikacha nicht war. Klein, zierlich und leicht einzuschüchtern – Eigenschaften, die ihn für Asara unattraktiv gemacht hätten, hätte er je Interesse an ihr gezeigt. Sie war indes dankbar für sein natürliches Desinteresse an ihrer Person, denn nichts lag ihr ferner, als sein Kind auszutragen. Wenn überhaupt, dann hätte Asara sich Kinder mit Vikacha vorstellen können. Doch solange sie in Arvice stationiert war, war das absolut undenkbar.

Vielleicht, wenn Savedra wieder genügend Spione in der Stadt hat, kann ich sie überreden, mich zurück zu beordern …

„Brauchst du Geld?“, fragte Varako, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.

Asara verdrehte die Augen. „Ich brauche immer Geld, wenn ich zum Markt gehe. Damit du mich weiterhin vorzeigen kannst.“

Ihr Mann legte seine Schreibfeder zur Seite und erhob sich. Er trat zu einer Truhe, öffnete sie und holte einen Lederbeutel hinaus.

„Das sollte reichen“, sagte er und reichte ihr den Beutel.

Asara warf einen Blick hinein. „Damit kann ich den kompletten Markt aufkaufen!“

Varako winkte ab. „Mach dir einen schönen Tag, Liebes. Nimm Vikacha zu deinem Schutz mit. Und warte heute Abend nicht auf mich, ich bin bei Ashaki Saraki.“

„Dann werde ich vor morgen früh nicht mit dir rechnen“, erwiderte sie sich ein Grinsen verkneifend.

„Da fällt mir ein, Saraki hat uns für nächste Woche zum Essen eingeladen. Er möchte uns seine zukünftige Frau vorstellen.“

Asara tat als sei sie überrascht. Tatsächlich hatte sie bereits einige Vorarbeit geleistet, damit es dazu kam. „Saraki heiratet?“, rief sie aus.

Ihr Gemahl nickte. „Ihr Name ist Anjiaka. Sie kommt von irgendwo aus dem Norden. Kennst du sie zufällig?“

„Nein“, log Asara. „Nie gehört.“

„Ich dachte, vielleicht ist sie eine von deinen zahlreichen Schwestern und Kusinen.“

Und wenn es so wäre, dann würde ich es dir nicht sagen. Varako mochte bereit sein, über ihre Aktivitäten hinwegzusehen, doch er war ein Imperialist. Asara wäre dumm, würde sie ihm mehr als nötig anvertrauen. „Wir sind nicht verwandt“, sagte sie und das entsprach sogar der Wahrheit. „Aber ich bin sicher, wir zwei werden gute Freundinnen, da wir sozusagen dasselbe Los haben.“

Varako runzelte leicht die Stirn. Offenkundig mochte er es nicht, wenn sie so von ihm und Saraki sprach. Asara hatte das indes noch nie gekümmert. Varako war ihr sowohl in körperlicher als auch in magischer Hinsicht unterlegen. In Asaras Augen hatte er das juwelenbesetzte Messer, das er als Zeichen seines Status an seiner Hüfte trug, nicht verdient. „Anjiaka ist noch nie in der Stadt gewesen. Es wäre gut, wenn du dich ihrer annimmst.“

„Liebend gern“, erwiderte Asara lächelnd. „Sag mal, wo hast du mir noch einmal Vikacha besorgt?“

„Ashaki Rovako. Er hat die besten Lustsklaven in Arvice und den fruchtbaren Regionen. Sogar König Marika hatte zwei Sklavinnen aus seiner Cachira von dort.“

„So, hatte er das?“ Sachakas letzter König war in Bezug auf Frauen sehr wählerisch gewesen. Viele Ashaki hatten ihm seine Töchter als Ehefrau angeboten, doch er hatte jede abgelehnt. Hin und wieder hatte er eine in seine Cachira aufgenommen, wenn er glaubte, dass sie in der Lage war, seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Andere Mädchen waren als Ashaki-Töchter nach dem Tod ihres Vaters in seine Cachira gekommen oder waren dem König aus politischen Gründen zum Geschenk gemacht worden. Wieder andere hatte Marika durch Zufall bei einem seiner Untertanen entdeckt und für sich eingefordert. Sogar Kriegsbeute hatte er in seine Cachira eingegliedert, wenn diese seinen Ansprüchen genügte. Am Ende hätte er fast eine seiner Sklavinnen geheiratet und einen Thronerben mit ihr gezeugt. Asara war froh, dass ihre Leute ihm dabei zuvor gekommen waren.

Wenn man etwas Gutes über Kachiro sagen konnte, dann, dass er die Cachira des Palastes als eine seiner ersten Amtshandlungen abgeschafft hatte, fand Asara. Jedoch hatten ihre Leute ihm auch nicht viel gelassen, worauf er hätte aufbauen können. Mit einem wehmütigen Lächeln erinnerte Asara sich an die sechs Mädchen, die damals aus dem Palast befreit hatte. Wie verängstigt und verwöhnt sie doch gewesen waren! Von ihren gelegentlichen Kommunikationen mit der Großen Mutter wusste sie, dass die Mädchen sich gut entwickelt hatten und gelernt hatten, ihr Potential zu nutzen und auszubauen, was als Marikas Bettsklavinnen und Quellen verschwendet gewesen war. Noch ein Jahr und sie würden die ersten kleineren Aufträge für die Verräter erledigen können.

„Rovako wirbt damit“, antwortete ihr Mann. „Denn was Sachakas wählerischster König aller Zeiten gekauft hat, muss von hervorragender Qualität sein.“ Varako runzelte die Stirn. „Wieso fragst du? Befriedigt Vikacha dich etwa nicht mehr?“

„Oh doch“, beeilte Asara sich zu sagen und konnte nur mit Mühe verhindern, in lautes Gelächter auszubrechen. „Vikacha ist überaus befriedigend. Ich dachte nur gerade darüber nach, ob wir Anjiaka nicht ein Hochzeitsgeschenk machen sollten.“ Ganz besonders wenn Saraki ihr Mann wird …

Einer der Sklaven, die das Tor bewachten, trat in den Raum und warf sich vor Varako zu Boden. „Ashaki Takiro ist da, Meister“, sagte er.

„Ich werde ihn im Raum des Meisters erwarten“, antwortete Varako. Er sah zu Asara. „Nun die Arbeit ruft. Einer der Berater des Imperators wünscht neues Porzellan für seine Räumlichkeiten.“

Asara verkniff sich ein Lächeln. „Dann treib den Preis in die Höhe.“