Dieses Mal spare ich mir umständliche Zwischenupdates zum CampNaNoWriMo, wie sonst gerne schon einmal auf Facebook gepostet, und gebe euch einen kleinen überarbeiteten Textauszug aus „Der Zorn der schwarzen Sonnen“.
Die Szene ist noch nicht hundertprozentig perfekt, über die meisten Szenen werde ich diesen Monat noch mindestens einmal drübergehen, aber sie ist in einem Zustand, den ich bereit bin sie auf euch loszulassen, damit ihr einen ersten Eindruck erhaltet. Die Szene dreht sich um den berüchtigten Harrel, den Akkarin zu Soneas Unterricht in schwarzer Magie mitgebracht hat. Im Buch habe ich mich immer gefragt, was mit diesem passiert, und da ich finde, dass Soneas Unterricht eine gute Möglichkeit ist, die Wandlung Akkarins und ihrer Beziehung näher zu beleuchten, habe ich mich ein wenig näher damit beschäftigt.
Viel Spaß beim Lesen!
Der Harrel scharrte in seinem Käfig, kaum dass Akkarins Lichtkugel in den Raum schwebte. Stroh und Köttel lagen in der Ecke verstreut, in der er den Käfig deponiert hatte. Bis jetzt hatte er Sonea an Takan und an Wasser üben lassen. Auch die Pflanze hatte sie mittlerweile getötet. Den Harrel hatte Akkarin sich bis zuletzt aufgespart. Er wäre das einfachere Übungsobjekt gewesen, doch für seinen Geschmack kam er von allen nichtmenschlichen Versuchsobjekten dem Menschen am nächsten. Für das, was Akkarin damit beabsichtigte, zog er es vor, dass Sonea sich bis dahin an ihre neue Fertigkeit gewöhnt hatte.
Seinen Willen ausstreckend ließ er den Käfig auf den Tisch schweben. Takan hatte sich wiederholt beschwert, dass Akkarin den Harrel in einem Käfig in seinem Keller hausen ließ. Seiner Ansicht nach war das nicht artgerecht. „Entweder Ihr sorgt dafür, dass ich ihn kochen kann, oder Ihr lasst ihn frei“, hatte er erklärt. „Ich bin es leid, jeden Tag seinen Dreck wegzumachen, damit Ihr Lady Sonea in einem sauberen Raum unterrichten könnt.“
Auch an diesem Tag hatte Takan den Dreck entfernt. Mittlerweile hatte das Tier jedoch neuen verursacht.
Den Harrel betrachtend seufzte Akkarin innerlich. Er erinnerte sich noch zu gut an einen Takan, der es nicht übers Herz gebracht hatte, ein Tier zu töten. Ein totes Tier zuzubereiten, war für ihn eine Sache, es zu töten oder zu quälen eine andere.
Eine halbe Stunde später, die Akkarin einige der Bücher aus der Truhe konsultiert hatte, betrat Sonea den Keller.
Akkarin hob eine fragende Augenbraue. „Hast du alle Hausaufgaben gemacht?“
„Ja, Hoher Lord.“
„Auch die, die nicht für morgen sind?“
Sie hielt seinem Blick mit unterschwelliger Sturheit stand. „Ich habe heute in der Mittagspause angefangen.“
„Gut.“ Akkarin wies auf den Stuhl vor seinem Versuchstisch. „Setz dich. Wir fangen gleich an.“
Ihre Augen leuchteten, als sie sich setzte und zu ihm aufsah. „Was werdet Ihr mich heute lehren?“
Akkarin wies auf den Käfig. „Heute gehen wir in den Versuchen am lebenden Objekt eine Stufe weiter.“
Das Leuchten erstarb.
„Du solltest erfahren einmal geübt haben, wie es sich anfühlt, die komplette Magie aus einem anderen Wesen zu nehmen.“
Sie nickte ernst. „Dann lasst es uns hinter uns bringen“, sagte sie entschlossen.
„Nimm das Messer. Du weißt, was zu tun ist.“
Sonea öffnete die Schatulle, in der er seinen Dolch aufzubewahren pflegte. Es war seltsam, sie tun zu sehen, was für gewöhnlich er selbst – und hin und wieder Takan – tat. Behutsam schlug sie den schwarzen Samt zurück und hob die Klinge heraus.
„Der Käfig lässt sich von oben öffnen. So kannst du verhindern, dass er dir entwischt.“
Sie nickte nur und öffnete den Käfig. Der Harrel verstärkte seine Bemühungen, dem Käfig zu entkommen, doch Sonea reagierte instinktiv und drückte ihn mit einer magischen Barriere nach unten.
„Gut“, sagte Akkarin. „Jetzt schneide ihn. Du wirst tiefer schneiden müssen, als bei einem Menschen. Unter dem Fell ist seine Haut sehr dick.“
Der Harrel quiekte und fiepte panisch, als wisse er, was geschehen würde, als Sonea die Klinge herabsenkte. Soneas Zögern bemerkend sagte Akkarin: „Nimm nur ein wenig seiner Energie. Nutze die Erfahrung, um den Unterschied zwischen magisch begabten Personen und normalen Lebewesen zu spüren.“
Gespannt beobachtete er, wie Sonea den Kopf des Harrels herabdrückte. Ihre kleinen, schlanken Finger teilten das Fell des Tieres, dann machte sie einen kleinen Schnitt im Nacken. Der Harrel quiekte und bäumte sich unter der magischen Barriere auf. Sonea legte das Messer beiseite und legte ihre Hand auf den Nacken des Tieres.
Akkarin stieß sich von dem Regal ab, an dem er gelehnt hatte, und berührte ihre Schläfen. Sie zuckte kaum merklich zusammen.
– Entspann dich.
Sie gehorchte augenblicklich.
Bemerkenswert, dachte Akkarin. Wann hatte es angefangen, dass seine Worte nicht nur bewirkten, dass sie tat, was er von ihr verlangte, sondern auch einen Effekt auf ihr Befinden hatten?
– Ertaste die Energie in dem Tier.
Sonea dehnte sich in ihrer Quelle aus und driftete durch den Riss unter ihrer Hand in den Körper des Harrels. Akkarin beobachtete, wie sie sich der Lebensenergie des Tieres bewusst wurde. Sie war schwach und auf eine Weise diffus verteilt, die sich von jener der Menschen unterschied.
– Sehr gut, sandte er. Jetzt nimm ein wenig davon. Aber so, dass du ihn nicht umbringst.
Ihre Kontrolle war für diese Aufgabe inzwischen weit genug fortgeschritten. An Takan hatte Akkarin sie gelehrt, wie sie wenig Magie durch eine große Öffnung und viel Magie durch eine winzige Öffnung ziehen konnte.
Dieses Mal bestand die Herausforderung darin, die diffus verteilte Magie zu fassen. Behutsam nahm sie ein wenig der Energie und zog sie in ihre eigene Quelle. Es war mehr, als Akkarin beabsichtigt hatte, jedoch war noch genug übrig, um den Harrel am Leben zu lassen.
– Und jetzt noch einmal. Halbiere die Menge.
Sie gehorchte wortlos. Dieses Mal stellte sie sich geschickter an. Unter ihr entspannte sich der Harrel, nur um wieder nervös zu werden, sobald sie den Kraftfluss stoppte.
Akkarin ließ sie den Vorgang noch zweimal wiederholen, dann ließ er von ihr ab.
„Sehr gut, Sonea. Du hast ein Gefühl dafür bekommen, wie man sich an einer tierischen Quelle stärkt. So, wie das Stärken an unwilligen Quellen, solltest du diese Möglichkeit jedoch nur in Betracht ziehen, wenn dir keine andere Wahl bleibt.“
„Ich verstehe“, sagte sie ernst.
Akkarin wies zu dem Käfig, wo der Harrel sich vor Erschöpfung zusammengerollt hatte. „Und jetzt bring es zu Ende.“
Sie starrte ihn an. „Aber er ist ein unschuldiges Tier!“
„Das gerade zugunsten deines Unterrichts gelitten hat.“
„Es würde sich doch wieder erholen nicht wahr?“
„Das würde es. Doch ich will, dass du es tötest.“ Akkarin lächelte humorlos. „Zudem redet Takan seit Tagen davon, wieder einmal Harrelragout kochen zu wollen. Ich nehme an, weil er es leid ist, den Keller zu fegen.“
Sie schnaubte. Offenkundig missfiel ihr sein Humor noch immer häufig. „Nur, um das klarzustellen: Ich tue das nicht, um Takan einen Gefallen zu tun, sondern damit das arme Tier nicht noch öfter unter mir leiden muss.“
Akkarin spürte, wie ein unfreiwilliges Lächeln an seinen Mundwinkeln zerrte. Was ihn betraf, so hatte er ihren Humor zu schätzen gelernt.
„Aus welchen Motiven du es tust, ist mir egal. Ich will nur, dass du es tust.“
Ihre dunklen Augen wanderten zu seinen. Dann legte sie schweigend erneut die Hand auf das Fell des Harrels.