Kapitel 13 – Ihre schwerste Entscheidung (Auszug)
„Hoher Lord“, sagte Regin und neigte respektvoll den Kopf. „Lady Sonea. Ich bin soweit.“
Der schwarze Magier nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis. „Wir werden heute eine Technik üben, die nicht im Lehrbuch steht“, teilte er Regin mit. „Sonea wird an Euch den Personenschutz lernen. Auch wenn Eure Aufgabe darin besteht, einen Nichtmagier oder einen Magier, der sich erschöpft hat, zu mimen, wäre es ratsam, wenn Ihr noch über eigene Magie verfügt, sollte Sonea scheitern.“
Regin erstarrte. „Bekomme ich einen Inneren Schild?“, fragte er.
„Sonea wird Euren Inneren Schild erzeugen und halten, während ich den ihren halte.“
„Was, wenn sie sich erschöpft? Wird mein Innerer Schild sich dann nicht auflösen?“
„Das wird er. Das wird wie ein direkter Treffer bei einem Übungskampf zählen. In diesem Fall wäre die Runde zu Ende.“
Regin erschauderte. Das bedeutete so viel wie, wenn Sonea tot war, dann war er es auch.
„Der Schild soll dazu dienen, dass du von keiner gestreuten Magie getroffen wirst“, fügte Sonea hinzu. „Ich werde aufpassen, dass dir nichts passiert.“
Regin unterdrückte ein Schnauben. In solchen Situationen konnte er kaum glauben, dass sie früher einst Todfeinde gewesen waren. Ob Sonea eine solche Gelegenheit früher genutzt hätte, um sich seiner zu entledigen? Nein, dachte er dann sich daran erinnernd, wie sie ihm damals nach ihrem Duell ein wenig heilende Magie gesandt hatte. Dazu ist sie dann doch zu weich.
Er beobachtete, wie Akkarin eine Hand auf ihrer Schulter legte. Sonea wandte sich zu ihrem Mann zu und sie diskutierten eine Weile leise. Schließlich nickte sie und machte einen Schritt auf Regin zu.
„Ich mache dir jetzt einen Inneren Schild.“ Sie berührte seine Schulter. Regin spürte kaum, wie ihre Magie ihn durchfloss. Er wäre beunruhigt gewesen, hätte er nicht gewusst, dass der Innere Schild, den die beiden schwarzen Magier verwendeten, leicht aber effektiv war.
Auf Akkarins Kommando begannen sie zu kämpfen.
Es war seltsam, an einem magischen Kampf teilzunehmen, ohne sich selbst daran zu beteiligen. Jedes Mal, wenn der Hohe Lord mit seinen Angriffen den Schild seiner Frau erbeben ließ, verspürte Regin eine wachsende Furcht. Er hatte schon oft gegen Akkarin gekämpft oder zugesehen, wie er und Sonea sich duellierten, und das war nichts, wobei Regin sich gerne in nächster Nähe aufhalten wollte.
Vielleicht sollte ich mir einfach einreden, dass mich das für den Ernstfall abhärtet, sagte er sich, als Soneas Schildmanipulation fast fehlschlug, und die Wärme von Akkarins Hitzeschlag selbst unter dem Schild zu spüren war. Wenn Akkarin mich als Gegner nicht mehr aus der Ruhe bringen kann, werden die Sachakaner das auch nicht schaffen.
„Konzentriere dich auf die Techniken, die du gut beherrschst“, wies Akkarin seine ehemalige Novizin an. „Dein primäres Ziel sollte der Personenschutz sein, Raffinesse ist dafür nicht nötig.“
„Ja, Hoher Lord“, erwiderte Sonea mit zusammengebissenen Zähnen, während sie mit doppelten Kraftschlägen konterte.
Vor Erheiterung hätte Regin fast laut aufgelacht, doch dann zuckte er zusammen, als ein Kraftschlag gegen Soneas Schild prallte, den er nicht hatte kommen sehen. Instinktiv rückte er näher zu seiner besten Freundin.
„Bekommst du schon Angst?“, fragte sie trocken.
„Ich dachte, so ist es kuscheliger.“
Sie bedachte ihn mit einem vernichtenden Seitenblick. „Lass das bloß nicht Trassia hören!“
„Und dein Mann?“, fragte er mit einem Blick zu Akkarin.
Sonea schürzte missbilligend die Lippen. „Er kennt meine Gedanken“, sagte sie knapp. Sie lenkte Akkarins erneuten Angriff ab und antwortete darauf mit einem aufgesplitteten Feuerschlag.
„Soll das heißen, er liest deine Gedanken?“ Neugierig geworden, rückte Regin noch dichter an sie heran.
„Ja. Und er kann dich gerade sehr gut hören.“
Regin war nicht sicher, ob er das glauben sollte. Soweit er das sagen konnte, benutzten die beiden schwarzen Magier ihre Blutringe nur selten zur Kommunikation.
„Ist das nicht ziemlich erniedrigend?“
„Hat er dir gesagt, dass du es mir besonders schwermachen sollst, dich zu beschützen?“, gab sie zurück.
Regin kicherte. „Nein, aber es macht Spaß.“
Sonea fluchte, als ihr Schild fast zusammenbrach.
„Kannst du nicht aufpassen?“, knurrte Regin.
„Kannst du aufhören, mir so auf den Leib zu rücken?“
„Ich verkleinere nur die Schildfläche.“ Als er die Verärgerung in ihrem Gesicht sah, fügte er hinzu: „Ich weiß nicht, was du hast. Wenn ihr zwei zusammen kämpft, kuschelt ihr die ganze Zeit.“
„Lord Regin, hört auf Sonea abzulenken.“
Regin zuckte zusammen. „Natürlich, Hoher Lord“, sagte er betont unterwürfig. „Ich bitte vielmals um Verzeihung.“
Akkarin runzelte die Stirn und fuhr dann fort, sich mit Sonea zu duellieren. Eine Weile tauschten sie magische Schläge aus, bis Sonea plötzlich eine Technik anwandte, die Regin gänzlich unbekannt war. Es sah aus wie ein Kraftschlag, doch er war nicht auf einen Punkt konzentriert, sondern es war eine ganze Wand aus transparenter Magie, die Sonea ihrem Mann entgegensandte. Kurz vor dessen Schild verbog sie die Wand, hüllte den Schild darin ein und drückte ihn zusammen.
In einer farblosen Explosion, deren magische Wucht Regins bis ins Mark fuhr, ließ Akkarin die Wand aus Magie nach allen Seiten fortschnellen. Regin hielt den Atem an. Was auch immer das gewesen war, es hatte sein Verständnis von Kriegskunst in seinen Grundfesten erschüttert und er begann sich zu fragen, ob er überhaupt alles über diese Disziplin wusste.
Ein Teil der magischen Wand raste über Soneas Schild hinweg, brachte ihn zum Vibrieren und ließ Regin erschaudern. Gestreute Magie traf den Arenaschild und breitete sich in farblosen Wellen darauf aus. Akkarin zögerte nicht und sandte einen Feuerschlag hinterher. Sonea gelang es gerade noch, den Angriff abzuwehren, und konterte mit doppeltem Kraftschlag. Akkarins Schildmanipulation kam einen Augenblick zu spät und ließ beide Angriffe dicht vor seinem Schild aufeinanderprallen. Sein Schild flackerte für einen kurzen Moment und Regin konnte die Wucht des Zusammenpralls sogar auf die Entfernung spüren.
Offenkundig motiviert durch diesen Effekt, schickte Sonea einen Hitzeschlag hinterher, doch bevor dieser auf den Schild ihres Gegners treffen konnte, wurde Regin von einem grellen Blitz geblendet und eine Wand aus Magie erschütterte Soneas Schild. Obwohl Regin diesen Trick bereits von den gemeinsamen Übungen mit den Kriegern kannte, versetzte er ihn jedes Mal in Angst und Schrecken, wenn Akkarin oder Sonea ihn anwandten.
Als er seine Augen heilte und wieder klar sehen konnte, sah er, dass auch Sonea sich gerade erst wieder fasste. Sie griff ihren Mann an, doch es war zu spät.
Akkarins Kraftschlag brach durch Soneas Schild. Im gleichen Moment löste sein Innerer Schild sich auf.
Der Hohe Lord stellte seinen Angriff ein.
„Genug“, sagte er.
Es dauerte einen Augenblick, bis Regin sich von seinem Schock erholt hatte. „Was sollte das?“, fuhr er Sonea an.
„Was?“, fragte sie unwirsch.
„Das weißt du genau.“
„Nein.“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Regin, ich …“
„Streitest du also ab, dass du das getan hast, um es mir heimzuzahlen?“
„Heimzuzahlen?“, wiederholte sie ungläubig. „Wofür?“
Für meinen Streit mit Trassia, wollte er sagen. Sich der Gegenwart ihres Mannes wohlbewusst, konnte er sich jedoch gerade noch zurückhalten. Er verstummte vollends, als er sah, dass Akkarin zu ihnen schritt.
„Für den Anfang war das sehr gut, Sonea“, sagte er. „Doch beim nächsten Mal solltest du mehr darauf achten, deinen Schutzbefohlenen dicht bei dir zu halten. Es interessiert mich nicht, ob dir das unangenehm ist. Das verringert die Schildfläche und du kannst schneller reagieren, wenn der Angreifer sich auf ihn konzentriert.“
„Ja, Hoher Lord“, erwiderte sie mit unterdrücktem Widerwillen.
Regin unterdrückte ein Kichern. War das der Grund, warum er bei diesen Übungen assistieren musste? Er und Sonea waren Freunde, doch die körperliche Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Gelang es ihr, ihn erfolgreich zu beschützen, würde ihr das auch bei allen anderen gelingen.
„Wir werden das morgen wiederholen“, entschied Akkarin. Er legte eine Hand zwischen Soneas Schulterblätter. Sie sah zu ihm auf mit diesem Blick, von dem Regin sich oft wünschte, dass Trassia ihn so ansehen würde. „Bis zum Abendessen werden wir an deiner Strategie feilen. Lord Regin, Ihr könnt gehen.“